Ja, es gibt (gelegentlich) auch feuchte Themen bei unserer Nordost-Passage. Vulkannebel, kühle Regenfronten oder heiße Quellen kommen hier aber nicht zur Sprache. Es geht hier eher um Wodkaschwipserl und Whiskyspitzerl. Wobei wir für unsere Nicht-Wiener Reisegäste und Interessenten wahrscheinlich erklären sollten, was ein Spitzerl ist: „ein Alkoholisierungsgrad, der nicht der Rede wert ist“ (vgl. „Wörterbuch des Wienerischen“; Robert Sedlaczek, 2011). Goldrausch und betrunkene Bäume werden etwas später behandelt.
Nachdem ein nicht unbeträchtlicher Teil unserer Nordost-Passage Russland beinhaltet, kommen wir am berühmten Wässerchen nicht vorbei. Der schon in der Sowjetunion gekippte Stolichnaja Vodka („Stoli“) gehört neben dem heute beliebten „Russky Standard“ (auch in unseren Supermärkten nicht unbekannt) zu den überall in Russland erhältlichen Marken. Aus aktuellem Anlass (gestriger Blitzbesuch von Vladimir Vladimirovitsch Putin in Wien) nennen wir auch: Wodka Putinka. Natürlich ein Premium und Limited Edition. Wurde gestern in der Hofburg sicher nicht getrunken.
Baikal Wodka
Speziell erwähnen wollen wir den „Baikal Wodka“. Angeboten in sehr originellen Flaschen, produziert aus (also nicht nur) reinstem Baikalwasser. Klar oder mild, versetzt mit sibirischen Zedernkernen. In Irkutsk und in Listvjanka, auch an unserer Hotelbar, erhältlich. Unsere Passageleiter fühlen sich fast verpflichtet, ihre Reisegäste auf einen die Verdauung von schwerem Beef Stroganov und das Verständnis von russischer Hochkultur fördernden Wodka einzuladen. Dazu ein typisch russischer Trinkspruch: „Trinken wir auf unseren Kummer. Darauf, soviel Kummer zu haben, wie gleich in unseren Gläsern übrig bleibt“. Sa starovje!
Wie sieht es nun aus mit dem Whiskey Alaskas, den die alten Goldgräber neben Rum zum Feiern eines Nuggetfundes oder im Negativfall gegen den Goldrausch-Kater, in geselliger Digger-Runde im Saloon oder einfach als ergänzende Maßnahme zum Überstehen der kalten Polarnächte konsumierten? Kurz gesagt: schlecht. Die Bourbons aus Kentucky und Tennessee sind hier und heute kein richtiges Thema. Isabelle, unsere engagierte Agenturpartnerin in Alaska (und ihr großer Freundes- und Bekanntenkreis) trinkt fast keinen Whiskey. Viel lieber Bier (vielleicht hat das mit ihren deutschen Wurzeln zu tun; auch mich hat sie schon zum wohlschmeckenden „Alaska Amber“ verführt). Wenn schon Hochprozentiges auf Tisch oder Theke kommt, ist es auch in Alaska Wodka.
Goldrausch mit Wodka aus Wasilla?
Bei unserer Bustour zum Denali-Nationalpark fahren wir an der Kleinstadt Wasilla vorbei. Diese ist nicht nur der Wohnort Isabelles, sondern auch mit dem (jedenfalls bei uns in Europa schon fast wieder in Vergessenheit geratenen) Namen Sarah Pailin verbunden. Die es hier von der provinziellen Schönheitskönigin bis zur Bürgermeisterin und zum ersten weiblichen Gouverneur Alaskas gebracht hat. Wohl wegen ihrer Abneigung von staatlicher Krankenversicherung, Schusswaffenkontrolle und Abtreibung wurde sie 2008 als republikanische Vizepräsident-Kandidatin aus dem Hut gezaubert (und ist in ihm dann bald wieder verschwunden). Sie war die Ikone der hier gar nicht zum Thema passenden, erzkonservativen Tea-Party-Bewegung.
Wir sympathisieren eher mit der Wodka-Party, deren Ikone in Wasilla die Alaska Distillery ist. Dort wird u.a. der populäre „Permafrost Wodka“ aus besten Matanuska Kartoffeln und reinstem Gletscherwasser produziert. Außergewöhnlich und gewöhnenswert ist wahrscheinlich der „ Smoked Salmon Wodka“, der unter Zugabe einer Essenz aus geräuchertem Lachs hergestellt wird. Auch ein Weg zum Goldrausch. Passt vielleicht in eine Bloody Mary. Unsere Passageleiter werden berichten.
Kanadischer Whisky
Im kanadischen Norden ist mit dem Whisky jedenfalls noch alles in bester, traditioneller Ordnung. Meine erste vorsätzliche Begegnung mit ihm hatte ich im Zug, im legendären „The Canadian“ (Passage-Reisetag 14). An der Bar des Panoramawagens und nur, um unsere Passage-Freunde kompetent informieren zu können. Schottische und irische Siedler brachten das frühkeltische Lebenswasser im 17.Jahrhundert nach Amerika und begannen sehr rasch Roggen (Rye) und Weizen (Grain) zu vergären. Als Ersatz für die schlecht gedeihende Gerste, sodass auf amerikanischen Malt Whisky verzichtet werden muss. Kellner Jack lässt mich die zwei bekanntesten kanadischen Whiskys testen: Canadian Club und Seagram V.O. Ich bleibe dann beim „Very Old“, verzichte auf die angebotenen Eiswürfel. Mit Seagram ohne „on the rocks“ bewundere ich entspannt die immer höher werden Berge der Rockies.
Nur so nebenbei: neun Destillerien gibt es in Kanada, internationaler Marktführer ist (natürlich) Schottland mit rund einhundert. Und danach? Dem deutschen Manager Magazin entnehme ich verblüfft: nicht die USA beziehungsweise Irland oder vielleicht Japan folgen, sondern Deutschland. Mit rund fünfzig Betrieben sind „Deutsche Brenner im Whiskyrausch“. Und Frankfurt deren jährlicher Treffpunkt bei der „InterWhisky“-Fachmesse. Bei uns in Österreich sind die Brenner im Vergleich zum großen Nachbarn nicht im Rausch, eher noch im Stadium des Whiskyspitzerls. Obwohl es bereits eine Austria Whisky Association gibt, mit beachtlichen (und sehr engagierten) Privatbrennereien zwischen Bodensee, Osttirol, Steiermark und Waldviertel.
Betrunkene Bäume
Apropos Wald: Die großen (Nadel)Waldgebiete und die Tundra des Nordens sind neben den Polarzonen Regionen dauernd gefrorenen Bodens. Neben Nordsibirien bzw. Nordkanada (natürlich auch Grönland) zählt vor allem Alaska dazu (80% des Bundesstaates liegen in der Permafrostzone, in der wir uns während der Nordost-Passage Richtung Fairbanks bewegen). Verlieren die Baumwurzeln durch den im Sommer tauenden, schmelzenden Untergrund ihren Halt, wachsen die Bäume oft schief weiter. Die Alaskaner nennen sie „drunken trees“, wobei dieses Phänomen auch ganze Wälder betreffen kann.Jedenfalls: Wodkaschwipserl und Whiskeyspitzerl werden uns Passage-Reisende wohl nicht in Schieflage bringen.